Starkregenkonzept Schelde
05.10.2010Hydrothemen Nr. 19 / Oktober 2010
07.10.2010Gemeinden wappnen sich gegen Extremniederschläge und Sturzfluten
Die Erinnerung an die Katastrophe ist vor Ort bis heute präsent: Ein lokal begrenztes Unwetter mit Starkregen von rund 240 Millimeter in einer Stunde führte am 2. Juni 2008 im baden-württembergischen Killer- und Starzeltal zu einer verheerenden Flutkatastrophe. Das Wasser schoss über die steilen Hänge direkt auf die Siedlungen zu. Die schnell anschwellende Hochwasserwelle ließ keinerlei Vorwarnzeit für die Katastropheneinsatzkräfte und die Bevölkerung. Die Überschwemmung riss Fahrzeuge mit, entwurzelte Bäume, zerstörte Brücken, Straßen und Häuser. Die Schäden lagen in Millionenhöhe. Drei Tote waren zu beklagen.
Kommunen gründen Planungsgemeinschaft
Um gegen ein solches Ereignis zukünftig besser gewappnet zu sein, schlossen sich die zehn betroffenen Kommunen zur Planungsgemeinschaft Hochwasserschutz Starzeleinzugsgebiet unter der Geschäftsführung der Stadt Hechingen zusammen. Sie beauftragte Hydrotec mit der Entwicklung eines umfassenden Hochwasserschutzkonzepts, das wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Wege für den Hochwasserschutz des Einzugsgebiets aufzeigen sollte. Zusätzlich zur Hochwassersituation der Fließgewässer waren die Entstehung und das Gefährdungspotenzial des Hangwassers zu analysieren, das sich an den ausgeprägten Kerbtälern im Einzugsgebiet der Starzel bildet. Das Projekt wurde fachlich begleitet vom Regierungspräsidium Tübingen und den beiden Landratsämtern Zollernalbkreis und Tübingen.
Analyse des Hangwasserabflusses
Wild abfließendes Hangwasser wird bislang bei der Analyse von Hochwasserrisiken kaum betrachtet. Es handelt sich dabei um Niederschlagswasser, das von kleineren Hangflächen flächig abfließt. Insbesondere bei Starkregenereignissen entstehen meist völlig überraschend für die Anwohner rapide ansteigende, beachtliche Abflüsse mit hohen Fließgeschwindigkeiten und großem Zerstörungspotenzial. Bei der Untersuchung des Einzugsgebiets waren zunächst die hangwassersensiblen Bereiche im Einzugsgebiet abzugrenzen, die Stellen zu identizieren, an denen Oberflächenabfluss entsteht und die Fließwege zu lokalisieren.
Dazu wurden die digitalen Höhenmodelle zusammen mit den Landnutzungs- und Bodendaten GIS-gestützt ausgewertet. Weitere Informationen lieferte die hydraulische 2-D-Modellierung auf Basis des digitalen Geländemodells. Aus der Kombination der daraus entwickelten Kenngrößen und der Schadensanfälligkeit der Objekte ließ sich eine Klassifizierung für die Gefährdung ableiten.
Die Analyse des Hangwasserabflusses mit HYDRO_AS-2D ermöglicht die Lokalisierung von Gefahrenzonen (rot eingefärbt). Links: Gefährdete Bereiche, Mitte: Berechnete Fließ-geschwindigkeiten, Rechts: Berechnete Wassertiefen |
Die Ergebnisse der Analyse wurden auf Stammblättern zusammengestellt. Sie enthalten für jede Gemarkung eine kartografische Darstellung, eine konkrete und detaillierte Beschreibung der Situation und ggf. ausgewählte Gefahrenpunkte sowie allgemeine Hinweise zur Vorsorge. Anhand dieser Stammblätter könnenin jeder Gemarkung wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Situation getroffen werden.
Gemeindeübergreifendes Schutzkonzept
Mit dem hydrologischen Modell NASIM und den Hydraulik-Modellen Jabron und HYDRO_AS-2D kombiniert mit Wirtschaftlichkeits- und Umweltverträglichkeitsbetrachtungen wurden Variantenkombinationen für technische Maßnahmen am Gewässer, für den Hochwasserrückhalt in Speicherbecken sowie für die Hochwasser-Vorsorge untersucht.
Das effektivste Maßnahmenbündel sieht die Anlage von fünf Hochwasserrückhaltebecken mit einem Gesamtvolumen von rund 850.000 m³ vor, kombiniert mit dem Bau von Hochwasserschutzmauern an kritischen Stellen und Vorkehrungen einzelner Hauseigentümer. Dadurch ließe sich der Durchfluss der Starzel bei einem Jahrhundert-Hochwasser (HQ100) soweit drosseln, dassam Unterlauf nur ein HQ50 auftritt, in weiten Bereichen des Oberlaufs sogar nur ein HQ20.
Hydrotec erläuterte das Konzept im Juli 2010 der Öffentlichkeit und stellte sich den Fragen der Kommunalvertreter. Die Kosten für die Umsetzung des Maßnahmenbündels werden auf 11,5 Mio Euro geschätzt. Die Investition ist aller Voraussicht nach nicht allein von den beteiligten Gemeinden zu schultern, da eine Aussicht auf Förderung der Maßnahmen durch das Land Baden-Württemberg besteht.
Dr. Ing. Oliver Buchholz, Dipl.-Ing. Heidrun Bültmann