In einem Projekt für den Niersverband hat Hydrotec das 1D-Hydraulik-Programm Jabron so erweitert, dass es an der Gewässersohle auftretende Schubspannungen direkt ermittelt und als Verteilung über ein Gewässerprofil darstellt. Das ermöglicht, die Auswirkungen von Einleitungen in ein Gewässer und gezielte Maßnahmen am Gewässer zur Verringerung der Sohlschubspannung genauer zu quantifizieren und zu überprüfen.
Der Niersverband hat die Aufgabe, Einleitungen in einige kleinere Gewässer gemäß dem BWK Merkblatt 3 zu überprüfen und ihre Schadlosigkeit nachzuweisen. Um eine Verschlechterung der Situation im Vergleich zum potenziell natürlichen Zustand zu vermeiden, werden im Allgemeinen Retentionsmaßnahmen vor der Einleitung angeordnet, mit der sich die Einleitungsmenge drosseln lässt. Alternativ dazu beabsichtigt der Niersverband, den hydraulischen Stress an der Gewässersohle durch Gewässeraufweitungen und Bewuchs in den Uferbereichen zu vermindern. Diese sollen das Fließverhalten so verändern, dass die kritischen Sohlschubspannungen eingehalten werden. Für die hydraulische Modellierung der betroffenen Gewässer setzt der Niersverband bereits das 1D-Programm Jabron ein. Eine 2D-Modellierung liefert zwar grundsätzlich Schubspannungswerte, sieht aber keine Variierung der Bewuchsparameter vor. Deshalb soll diese Aufgabe ebenfalls mit Jabron gelöst werden.
Das 2D-hydrodynamisch-numerische Modell HYDRO_AS-2D berechnet direkt die Sohlschubspannung für jeden Knoten des Berechnungsnetzes. Ein Gewässerabschnitt wurde daher als Referenzmodell in HYDRO_AS-2D abgebildet. Mit dem 2D-Modell untersuchten wir zunächst den Einfluss einer wechselseitigen Gewässeraufweitung auf die Sohlschubspannung und in einer zweiten Variante die Wirkung von Bewuchs am Gewässerrand, der die Abflussgeschwindigkeit in Ufernähe so weit reduziert, dass das Makrozoobenthos der Belastung im Uferbereich standhalten kann. Eine Erhöhung der hydraulischen Belastung in der Mitte der Gewässersohle wird dann akzeptabel, weil die Organismen vom Ufer her den kompletten Querschnitt kurzfristig wieder besiedeln können.
Für den hydraulischen Nachweis dieser Gewässerrandstreifen wurde das Programm Jabron erweitert. Das Querprofil wird dazu in vertikale Lamellen unterteilt, für die ein unterschiedlicher Bewuchs definiert werden kann. Die Berechnung der Sohlschubspannung erfolgt unter der Annahme, dass das Reibungsgefälle dem Energieliniengefälle entspricht, nach der Formel:
Über das Energieliniengefälle nach Darcy-Weisbach und die Summe der Widerstände aus der Sohlrauheit und dem Bewuchs kann die Sohlschubspannung allein aus dem Sohl-Widerstandsbeiwert je Lamelle i berechnet und der Bewuchs getrennt berücksichtigt werden:
Die Abbildung oben zeigt einen Vergleich der mit dem 1D- und dem 2D-Modell berechneten Schubspannungen für den Lastfall HQ2. Ergänzend sind die Wasserspiegellagen (gestrichelt MQ) eingezeichnet. Bisherige Vergleiche der querschnittsgemittelten Schubspannungswerte aus 1D- und 2D-Berechnungen ergaben, dass die Werte aus der 1D-Simulation tendenziell unter denen der 2D-Simulation lagen. Die aktuelle Jabron-Erweiterung zeigt insgesamt eine gute Übereinstimmung mit den 2D-Ergebnissen in Gewässermitte, während die Werte am Uferbereich insgesamt etwas geringer ausfallen.
Mithilfe des Planzustands-Modells lässt sich der Einfluss einer wechselseitigen Gewässeraufweitung auf die Sohlschubspannung quantifizieren. Die Modellergebnisse zeigen, dass die Sohlschubspannung im Vergleich zum Ist-Zustand deutlich abnimmt und einen gleichförmigeren Verlauf über das Querprofil aufweist. Insgesamt zeigen die Ergebnisse einen deutlichen Rückgang der Sohlschubspannung. Trotzdem ist festzuhalten, dass im aquatischen Bereich Abschnitte verbleiben, in denen der kritische Sohlschubspannungswert von 3,5 N/m² weiterhin überschritten wird.
Zusätzlich zur Gewässeraufweitung wird im nächsten Schritt den aquatischen Randlamellen (beidseitig) Bewuchs zugewiesen. Das Ziel ist, zumindest in diesen Randlamellen (innerhalb des aquatischen Bereichs) die kritische Sohlschubspannung zu unterschreiten. Die Analyse der Ergebnisse zeigt, dass der Wasserspiegel durch die Festlegung des Bewuchses innerhalb einer schmalen Lamelle im Vergleich zum Planzustand 1 nicht signifikant zunimmt. Die Schubspannungen beider Planzustände besitzen qualitativ einen ähnlichen Verlauf. Der Unterschied liegt primär in den Bewuchsstreifen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass innerhalb der Bewuchsstreifen die kritische Sohlschubspannung von 3,5 N/m² durchgehend unterschritten wird.
Die Funktionen zur lamellenweisen Berechnung und Darstellung der Schubspannung wurden in Jabron 6.9 umgesetzt. Verglichen mit der bisherigen, in 1D-Modellen üblichen, querschnittsgemittelten Darstellung der Schubspannung erhalten die Modellierer damit wichtige zusätzliche Informationen, die für Planungen an Gewässern nutzbar sind. Die berechneten Werte sind je Profil als Tabelle und als Querprofilplot darstellbar. Mit dem GIS-Modul JabMap 5.0 ist es möglich, die Daten zusätzlich als Shape- Dateien auszugeben und in der Karte darzustellen.
Michael Bellinghausen, Dr.-Ing. Hartmut Sacher, Dr.-Ing. Alpaslan Yörük