Die Gewässer im Emschergebiet werden nach und nach aus ihren Betonprofilen und Verrohrungen befreit. Parallel sind Abwassersammler neu anzulegen, damit Schmutzwasser und natürliches Wasser zukünftig getrennt voneinander fließen. Die Emschergenossenschaft als Bauherrin muss sicherstellen, dass die Baumaßnahmen den Hochwasserschutz nicht beeinträchtigen, auch wenn Gewässer temporär verrohrt oder Abflussquerschnitte verengt werden müssen. Der bauzeitlicher Nachweis basiert auf hydraulischen Berechnungen mit Jabron.
Der geplante Boye-Hauptsammelkanal wird in unmittelbarer Nähe der Gewässer verlaufen und an mehreren Stellen zufließende Gewässer unterqueren. Aufgrund der geringen Überdeckungen zur Gewässersohle können die Rohre meist nur in offener Bauweise verlegt werden. Das macht es an mehreren Stellen erforderlich, das Gewässer temporär zu verbauen, z. B. durch Abspundungen, die den Fließquerschnitt reduzieren oder durch temporäre Verrohrungen, die teilweise überfahrbar ausgelegt sein müssen.
Wirken sich diese Verbauungen negativ auf den Hochwasserschutz aus? Wie hoch müssen Spundwände sein, um im Hochwasserfall termporär wirksamen Schutz zu bieten? – Diese Fragen klärte Hydrotec mit 1D-hydraulischen Berechnungen.
Für die durch Essen, Gladbeck und Bottrop fließende Boye existiert bereits ein 1D-Modell in Jabron. In dieses integrierten wir die bauzeitlichen Abflusshindernisse nach Vorgabe der Baufirma und des planenden Ingenieurbüros.
Für jede Baumaßnahme legten wir ein eigenständiges hydraulisches Gewässermodell zur Abbildung im Istzustand an. In diese Modelle wurden die Querschnittsabmessungen des Zustands während der Baumaßnahme implementiert. Für jede Maßnahme wurde eine solche Modellvariante erzeugt, die die für die Dauer der Bauphase vorgesehenen Veränderungen am Gewässer abbildet.
Anhand eines Gesamtmodells für die Boye und ihre Nebengewässer mit allen Baumaßnahmen wurde auch eine gegenseitige Beeinflussung bzgl. der Hochwasserführung untersucht.
Grundlage der Nachweise bildete die neue DIN 19 712 (Hochwasserschutzanlagen an Fließgewässern).
In den Fällen, in denen die Baustelle einen Deich unterbricht, war nachzuweisen, dass die Spundwand die Hochwasserschutzfunktion bis zum HQ100 übernimmt. In Bereichen ohne Deichlage reichte ein Nachweis des HQ25 zuzüglich eines Freibords von 0,50 m bzw. des HQ50 bordvoll aus.
Die erforderliche Höhe der Schutzeinrichtungen wurde im Zuge der Berechnung der 100-jährlichen Hochwasserabflüsse sukzessiv ermittelt und in die einzelnen Modelle übertragen.
Entsprechend der Ergebnisse der Wasserspiegellagen wurden Vorgaben zu den Höhen der Spundungen bzw. zu den Abflussquerschnitten der Verrohrungen gemacht.
Die 1D-Simulation zeigte: Die vorgegebenen Hochwasserschutz-Ziele können während der Bauzeiten an allen Baustellen eingehalten werden.
In eingedeichten Abschnitten ist es zusätzlich erlaubt, während der Baumaßnahme die Deichhöhe bis auf die angegebene Höhe der Spundwand zu verringern. Das erleichtert die Erreichbarkeit der Baustellen für Fahrzeuge, während die Hochwassersicherheit gewährleistet bleibt.
Dipl.-Ing. Heike Schröder
Weitere Informationen: Der Emscherumbau – ein Generationenprojekt