Werkzeug in NASIM 4.4 ermittelt automatisch das optimale Rückhaltevolumen
Hydrologische Modelle werden häufig eingesetzt, um Rückhaltebauwerke optimal zu dimensionieren. NASIM unterstützt die Anwender bei dieser Aufgabe mit einem mächtigen Werkzeug zur automatischen, optimalen Dimensionierung von Bauwerken – dem NASIM-Optimierer. Er ist in der aktuellen Version 4.4 verfügbar.
Einsatzbereiche sind:
- Dimensionierung von Regenüberlaufbecken nach A128
- Immissionsorientierte Einleitungsnachweise nach BWK M3/M7
Komplexe Optimierungsaufgabe
Ein „optimales Bauwerk“ ist so dimensioniert, dass es die vorgeschriebene Funktion erfüllt und dabei minimale Kosten für den Bau entstehen. Diese Optimierungsaufgabe gestaltet sich oft sehr komplex, da mehrere Bauwerke im Kontext und außerdem die Bewirtschaftung der Bauwerke über die Drosselabgabe zu betrachten sind.
Die zu optimierende Größe ist die Summe der Baukosten aller Bauwerke, während die Parameter Beckengrößen und Drosselabgaben variiert werden.
Wie arbeitet der NASIM-Optimierer?
Eine Optimierung erfolgt iterativ durch mehrere NASIM-Rechenläufe, die der NASIM-Optimierer automatisch durchführt. Dazu nutzt er das in der Hydrologie weit verbreitete „Shuffled Complex Evolution“-Verfahren (SCE). Dabei variiert das Modell die Beckengrößen und die Drosselabgaben und berechnet die Auswirkung dieser Variationen auf den Optimierungswert.
Die Baukosten werden abhängig von der Beckengröße berechnet. Diese Kostenfunktion berücksichtigt, dass die spezifischen Kosten für größere Becken geringer sind als für kleinere. Grundsätzlich könnte in NASIM für jedes Becken eine eigene Kostenfunktion hinterlegt werden, um die jeweiligen Standortfaktoren zu berücksichtigen.
Bei Überschreitung der jeweiligen Grenzwerte (Entlastungsraten bei A128 oder HQ1-Überschreitungen bei M3/M7) werden sog. „Strafkosten“ ermittelt. Bei Einhaltung der Grenzwerte entfallen diese Strafkosten. Der zu optimierende Wert ist die Summe aus den Baukosten und den Strafkosten.
Berechnungszeiten minimiert
In der Praxis kann es bei vielen gleichzeitig zu optimierenden Bauwerken durchaus zu 2.000 Parameterkonstellationen kommen, die zu simulieren und auszuwerten sind. Daraus leitet sich die Frage nach der Gesamtlaufzeit dieser automatisierten Optimierungen ab. Der NASIM-Optimierer bietet zwei Merkmale, die auch diese große Anzahl an durchzuführenden Simulationen praktikabel machen:
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Parallelisierung: Die sog. Populationen können zunächst unabhängig voneinander optimiert werden – diese Berechnung lässt sich daher parallelisieren. Der NASIM-Optimierer nutzt dazu Rechnerarchitekturen mit vielen Cores voll aus.
- Oberlieger einmalig rechnen: Die zu optimierenden Bauwerke haben in einem Niederschlag-Abfluss-Modell meist eine größere Zahl von Oberliegern, die stets die gleichen Ergebnisse für die Simulation liefern. Der NASIM-Optimierer erkennt diese Strukturen im Modell und nutzt die Ergebnisse des ersten Rechenlaufes für alle folgenden Läufe. Der dadurch entstehende Laufzeitgewinn ist erheblich (siehe Tabelle).
Eine komplexe Optimierungsrechnung mit mehreren Bauwerken und einem größeren Systemplan kann durchaus zwei Tage benötigen. Sie erfordert aber keine weiteren Aktionen des Modellierers.
Komplexes Werkzeug einfach bedienbar
Der NASIM-Optimierer ist so ausgelegt, dass jeder Modellierer ihn vollständig über die grafische Nutzungsoberfläche bedienen kann. Spezielle IT-Kenntnisse sind nicht erforderlich. Der Anwender trägt die folgenden grundlegenden Daten der Optimierung tabellarisch ein:
- Welche Bauwerke sollen optimiert werden?
- In welchen Grenzen sollen für jedes Bauwerk das Volumen und die Drossel variieren?
- Optional: Anpassung der Kostenfunktion für jedes Bauwerk
- Nachweis nach BWK M3/M7: An welchen Stellen soll im Gewässer das HQ1 berechnet werden? Wie ist der aus dem HQ1,potNat abgeleitete Grenzwert?
- Bemessung nach A128: Welche konkrete Entlastungsrate muss eingehalten werden?
Der NASIM-Optimierer gibt Zwischenergebnisse als Grafik und Tabelle aus.
Optimierungsergebnisse nachvollziehbar dokumentiert
Die Grafik unten zeigt einen größeren Optimierungslauf. Jeder blaue und jeder orange Punkt steht für eine einzelne Parameterkonstellation (Beckengrößen/Drosseln). Die vom NASIM-Optimierer erzeugten Parameterkonstellationen sind in der Reihenfolge ihrer Erzeugung von links nach rechts aufgetragen. Im linken Bereich sind die Baukosten (blaue Punkte) weit gestreut: In den frühen Phasen findet und untersucht das Verfahren sowohl teure als auch vereinzelt kostengünstige Beckenvarianten. In dieser Phase treten aber bei den kostengünstigen Beckenvarianten meist hohe Strafkosten (orange Punkte) – d. h. Grenzwertüberschreitungen – auf. Die teuren Varianten gehen häufig nicht mit Strafkosten einher. Im rechten Bereich sind die Baukosten nah dem Grenzwert: In den späteren Phasen werden nur noch die kostengünstigen Varianten untersucht. Bis zum Schluss kommt es aber immer wieder zu Parameterkonstellationen mit Grenzwertüberschreitungen: Das Verfahren „sucht“ die Grenzen zu den Strafkosten ab.
Bestehende Kanalnetze ohne Ausbau optimieren
Mit dem NASIM-Optimierer sind auch existierende Kanalnetze noch nachträglich zu optimieren. Dazu variiert er die Drosselabgaben, um bestimmte Entlastungsraten einzuhalten. Betreiber können dadurch eine optimierte Einstellung der Drosselorgane ermitteln und die Entlastungsraten des Netzes ohne Ausbau der Bauwerke reduzieren.
Zusammenarbeit mit Wasserverbänden
Der NASIM-Optimierer stellt eine sehr wertvolle Erweiterung des Niederschlag-Abfluss-Modells NASIM dar. Für die Berechnung von Bauwerken im Kontext von Einleitungsnachweisen wird NASIM damit gestärkt. Seine Entwicklung wurde maßgeblich von Erftverband, Emschergenossenschaft/Lippeverband, Niersverband und Wasserverband Eifel-Rur finanziert und fachlich begleitet.
Erweiterung auf weitere Anwendungsfälle
Die interne Konzeption des NASIM-Optimierers weist über die Bemessung von Bauwerken hinaus. Entwickler können ihn mithilfe von XML-Dateien und Python-Scripts für eigene Anwendungsfälle programmieren.
Beispielsweise wurde mit dem Konzept des NASIM-Optimierers bereits eine automatisierte Modellkalibrierung entwickelt. Bei diesem Anwendungsfall werden in den Parameterkonstellationen Eichfaktoren variiert und die Anpassungsgüte des Modells optimiert.
Hydrotec sieht hier großes Potenzial und sucht die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen, um auf Basis dieses Konzeptes weitere Ansätze zu erproben.
Dipl.-Math. Benedikt Rothe