Detaillierte Simulation mit NASIM und SOBEK/1D-Water Quality liefert Antworten
Als potenzielles Lachslaichgewässer wurde die Rur in das Wanderfisch-Programm NRW aufgenommen. Für den Wasserverband Eifel-Rur (WVER) hat Hydrotec ein Verfahren entwickelt, mit dem sich untersuchen lässt, ob die Zuflüsse der Rur (Inde, Vicht und Wehebach) im Hinblick auf Misch- und Regenwasser-Einleitungen ebenfalls als Lachslaichgewässer in Frage kommen.
Die Inde entspringt am Rand der Nordeifel und mündet als ein von Schotter und Kies geprägter Flusstyp im Tiefland in die Rur. Den Oberlauf prägen Wald und Grünlandwirtschaft. Am Mittellauf befinden sich größere städtische und industrielle Ansiedlungen. Zu den möglichen Hindernissen einer Wiederansiedlung des Lachses zählen hier u. a. die Misch- und Regenwasser-Einleitungen. Der Unterlauf ist vom Braunkohleabbau beeinflusst.
Die EG-WRRL erfordert die Betrachtung der Wirkung von Misch- und Regenwasser-Einleitungen auf die Gewässerbiozönose. Mehrere technische Merkblätter zur Immissionsbetrachtung (z. B. BWK-M3, BWK-M7, Leitfaden zur wasserwirtschaftlich ökologischen Sanierung von Salmoniden- Laichgewässern in NRW) geben Leitlinien zur Umsetzung.
Neben einer möglichen hydraulischen Überlastung der Gewässer stehen stoffliche Belastungen durch Ammoniak, Sauerstoffdefizit und abfiltrierbare Stoffe (AfS) im Fokus.
Für den Nachweis der stofflichen Belastung wurde eine detaillierte Langzeitsimulation durchgeführt. Basis dafür ist das Programmsystem NASIM, das Stofftransportberechnungen für Abflüsse von befestigten Flächen sowie für alle Abflusskomponenten von unbefestigten Flächen ermöglicht.
Die aus den befestigten und unbefestigten Flächen resultierenden stofflichen Belastungen entstammen Messwerten, Merkblättern und aktuellen Forschungsarbeiten. Die Stofftransport- und Umsatzprozesse der Parameter AfS und Ammoniak (in Abhängigkeit von Ammonium, pH-Wert und Wassertemperatur) wurden mit dem NASIM-Schmutzfrachtmodul durchgeführt.
Für die Berechnung des Sauerstoffdefizits spielt die Wiederbelüftung des Gewässers eine maßgebliche Rolle. Hierzu wurde NASIM mit dem Programmsystem SOBEK/1D-Water Quality (Deltares, Delft) gekoppelt. NASIM übergibt die BSB5-Konzentration als Zeitreihe an SOBEK, das daraus das Sauerstoffdefizit ermittelt.
Als Ergebnis liegen Stoffzeitreihen mit einer Auflösung von fünf Minuten über einen Zeitraum von 14 Jahren vor.
Die Auswertung zeigt Verletzungen der Grenzwerte von Lachslaichgewässern überwiegend bei langen Dauern und häufigen Ereignissen. Kurze Dauern und seltene Ereignisse bleiben durchgehend ohne Verletzungen der Grenzwerte. Hinsichtlich der Stoffe lassen sich folgende Unterschiede feststellen:
Die Entwicklung der Inde zum Lachslaichgewässer erfordert es, ausgewählte Misch- und Regenwasser- Einleitungen zu sanieren. Durch die detaillierte Modellierung können die Verursacher von Verschmutzungen identifiziert und die Wirksamkeit möglicher Maßnahmen wie der Bau von Regenrückhalte- und Retentionsbodenfilterbecken sehr genau untersucht werden.
Eine Entscheidung über den Status der Gewässer als Lachslaichgewässer steht noch aus. Deshalb umfassen die Nachweise zusätzlich die Gegenüberstellung mit den entsprechenden Grenzwerten für Mittelgebirgsgewässer. Verletzungen der Grenzwerte für Mittelgebirgsgewässer sind durchgehend nicht festzustellen.
Das entwickelte Verfahren lässt sich auch auf andere Einzugsgebiete übertragen. Nach einer Pilotphase für das Einzugsgebiet des Wehebachs wurde es auf das größere Gebiet von Inde und Vicht angewandt. Aktuell führt Hydrotec Berechnungen und Auswertungen für die Wurm durch. Um ausreichend lange Reihen auch für seltene Ereignisse zu generieren, ist ein Simulations-Zeitraum von 10 bis 15 Jahren erforderlich. Die stoffliche Belastung für unbefestigte Flächen kann aus Messwerten oder vorliegenden Erfahrungswerten festgelegt werden.
Hervorzuheben ist die gute Nachvollziehbarkeit der Berechnungen. Von den ausgewerteten Ergebnissen über die zugrunde liegenden Zeitreihen bis zu den stofflichen Eingabedaten lässt sich zurückverfolgen, ob Ergebnisse plausibel sind.
Das Modell erlaubt es, Ausgabezeitreihen an beliebigen Stellen des Systems zu erzeugen. Diese Transparenz fördert das Prozessverständnis und liefert Antworten auf folgende Fragen: Wie überlagern sich Stoffund Abflusszeitreihen aus RÜB-Abschlägen und Gewässer? Wie wirken Speicherbauwerke auf die Stoffkonzentrationen? Wie wirken sich unterschiedliche Bedingungen (z. B. unterschiedliche Wassertemperaturen, unterschiedliche pH-Werte usw.) auf die Ergebnisse aus?
Während der Projektbearbeitung wurde deutlich, um welche Funktionen das Simulationssystem mit NASIM weiterzuentwickeln ist, um eine noch genauere und komfortablere Immissionsbetrachtung zu ermöglichen. Die Wassertemperatur wird als Jahresgang (interpoliert aus Messwerten) vorgegeben. Die O2- und die Ammoniakkonzentration sind u. a. von der Wassertemperatur abhängig. Die Berechnung der Wassertemperatur als Tagesgang kann zu einer besseren Abbildung der Prozesse und Belastungen beitragen.
Die stoffliche Belastung von unbefestigten Flächen kann nach Nutzungen (Wald, Wiese, Acker) differenziert werden. Eingabedaten können über GIS-Auswertungen ermittelt oder aus Stoffbilanzmodellen übernommen werden.
Aktuell nutzt NASIM konstante Stoffkonzentrationen. Durch die Modellierung von Stoffablagerung und Remobilisation im Kanalnetz (Spülstoß) könnten variable Stoffkonzentrationen berücksichtigt werden.
Ein Merkmal des NA-Modells ist die Ermittlung von Oberflächenabfluss aufgrund hoher Niederschlagsintensitäten. Erosionsereignisse können demnach ebenfalls anhand der Niederschlags- und Abflussintensität identifiziert werden. Zeitlich differenziert könnte der Eintrag in die Gewässer aus Erosionsereignissen berücksichtigt werden.
Die stoffliche Hintergrundbelastung aus unbefestigten Flächen wird momentan als konstanter Wert abgebildet. Belastungszeitpunkte (z. B. Düngezeitpunkte oder Laubfall) sollten zeitlich differenziert abgebildet werden können.
M.A. Geogr. Manfred Dorp, Dr.-Ing. Ellen-Rose Trübger