Hydraulisches Modell der Bundeswasserstraße Main
04.11.2015Hydrothemen Nr. 29 / November 2015
04.11.2015Einen Stadt- und Landfluss zukunftsweisend gestalten
Das Stadtbild von Coesfeld wird durch die Berkel und ihre Flussarme geprägt. Diese historisch gewachsene Abflusssituation in Form von drei Berkelarmen in der Innenstadt ist durch hohen Nutzungsdruck und eine dichte Bebauung gekennzeichnet. Der Gesamtzustand der Gewässer erfordert im Hinblick auf die Wasserrahmenrichtlinie wirkungsvolle Maßnahmen zur Gewässerentwicklung.
Das Planungsbüro Koenzen (Hilden) und Hydrotec arbeiteten dazu gemeinsam an einem Konzept, das die Aspekte Ökologie und Hochwasserschutz gleichwertig berücksichtigt. Die Ergebnisse fließen in das Regionale-Projekt „BerkelSTADT Coesfeld“ ein. Es vereint eine ökologische Verbesserung und eine städtebaulich attraktive Integration des Flusses in das Stadtbild.
Die Berkel – ein Fluss mit Potenzial
Die Berkel entspringt westlich von Münster, durchfließt das Münsterland in westlicher Richtung und mündet nach ihrem 110 km langen Fließweg in die niederländische Ijssel. Der Bewirtschaftungsplan 2009 der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EUWRRL) bewertet sie in ihrem gesamten Lauf auf deutscher Seite als „erheblich veränderten Wasserkörper“ mit erheblichen Defiziten insbesondere in den dicht besiedelten Städten.
So auch in der Kreisstadt Coesfeld, in deren Geschichte der Gewässerlauf aufgeteilt wurde, zum Schutz vor Hochwasser und kriegerischen Angriffen. Mehrere historische Wehranlagen behindern heute die ökologische Durchgängigkeit. Lange Abschnitte auf dem Stadtgebiet sind kanalartig ausgebaut und befestigt.
Machbarkeitsstudie zeigt Chancen der Gewässerentwicklung auf
Die Stadt Coesfeld beauftragte das Planungsbüro Koenzen und Hydrotec im Jahr 2011 zunächst mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie. Sie sollte unter Berücksichtigung des Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzepts abschätzen, welche Schritte der Gewässerentwicklung im Stadtgebiet notwendig sind, um die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen.
Die Untersuchung analysiert den Ist-Zustand, zeigt mögliche Ansätze zur Gewässerentwicklung auf und bewertet sie unter folgenden Gesichtspunkten:
- Ökologische Wirksamkeit und Effizienz unter lokalen und räumlich übergeordneten Aspekten
- Technische Machbarkeit
- Hochwassersicherheit
- Bessere Erlebbarkeit
- Einbindung in die Stadtentwicklung
Die Studie schlägt konkrete Maßnahmen am Gewässer vor, zeigt das Potenzial für positive Veränderungen der Gewässerökologie auf und weist auf die darin liegende Chance für die städtebauliche Entwicklung der Stadt hin.
Diese Ergebnisse flossen in den Umsetzungsfahrplan Berkel ein, der im November 2012 veröffentlicht wurde.
Gewässerarme mit verteilten Aufgaben
Die Machbarkeitsstudie findet den Ansatz, die innerstädtischen Gewässerarme künftig differenziert als NaturBERKEL und UrbaneBERKEL zu entwickeln und die Durchflüsse entsprechend ihrer Funktionen zu regulieren.
Der Strang NaturBERKEL zeigt ökologische und naturräumliche Qualitäten auf, die zusammen mit hochwasserschutztechnischen Aspekten umsetzbar sind. Er lässt sich durchgängig gestalten und wird somit zum Hauptwanderweg für die aquatische und semiaquatische Fauna.
Bis zu hundertjährliche Hochwasser fließen hauptsächlich über die NaturBERKEL und die Umflut, die eine ausreichend hohe hydraulische Leistungsfähigkeit aufweist.
Für die durch Innenstadt fließende UrbaneBERKEL stehen städtebauliche Aspekte mit einer Visualisierung des Verlaufs und das Erlebbarmachen des Gewässers im Vordergrund. Plätze, Straßenverläufe und Grünflächen sollen mit einem stärkeren Fokus auf das Gewässer umgestaltet werden, z. B. indem Sitzstufen zum Verweilen einladen und Ausblicke auf den Fluss sowie Spielmöglichkeiten im Wasser bieten. In diesem Strang sind Leistungsreserven zur Ableitung von seltenen und sehr seltenen Hochwasserabflüssen (HQextrem) vorhanden.
Detailuntersuchung Ökologische Durchgängigkeit
Unter Verwendung eines eindimensionalen hydraulischen Modells wurde die Einhaltung der Kriterien der ökologischen Durchgängigkeit für das Abflussspektrum von Q30 bis Q330 nachgewiesen. Abweichend von den Angaben des DWA-Merkblatts 509 sind in Coesfeld nicht die Großsalmoniden zu berücksichtigen. Maßgebliche Leitarten stellen die Groppe und der Steinbeißer sowie die Kleinfische dar.
Der betrachtete Gewässerabschnitt befindet sich zum einen im Oberlauf der Berkel und zum anderen stellt er den Lückenschluss in den FFH-Gebieten dar. Da der Steinbeißer und die Groppe einen Ausweisungsgrund für die FFH-Gebiete darstellen, werden diese besonders berücksichtigt. Die an einigen Wehren geplanten Fischaufstiegsanlagen sollen mithilfe von Ruhezonen (Beckenstruktur) sowie der Einhaltung von Mindestwassertiefen und maximalen Fließgeschwindigkeiten durchwanderbar sein.
Detailuntersuchung Hochwasserthematik
Eine hydraulische 2D-Modellierung mit HYDRO_AS-2D untersuchte verschiedene Gestaltungsvarianten des Berkellaufs im Hinblick auf die Hochwassersituation:
- Rückbau bzw. Absenkung von Wehranlagen
- Freihalten der Innenstadtberkel von Hochwasserabflüssen bis zum HQ100
- Bereichsweise Anpassung der Sohlhöhen
- Neutrassierung der Berkel im Retentionsbecken „Fürstenwiese“ mit neuem Auslaufbauwerk
Zusammenfassend zeigen die hydraulischen Berechnungen, dass alle vorgeschlagenen Maßnahmen der Studie umsetzbar sind. Die Umgestaltungen im Innenstadtbereich wirken sich nicht bedenklich auf den Oberflächenwasser-Haushalt aus. Das umgestaltete Flusssystem würde selbst ein HQ100 problemlos aufnehmen.
Im Bereich eines Hochwasserrückhaltebeckens wurden ausgehend von der Machbarkeitsstudie zwei Gestaltungsvarianten detaillierter betrachtet.
Genehmigungsplanung definiert Abflussaufteilung
Um die Betroffenheitsgrenze zu definieren, wurden Gewässerprofile, Böschungsoberkanten und Höheninformationen neu und detaillierter erfasst und in das 2D-Modell integriert.
So konnte ermittelt werden, welcher maximale Abfluss schadensfrei durch das Stadtgebiet abgeleitet werden kann und wie der Abfluss im gesamten Abflussspektrum von Niedrigwasser bis zum extremen Hochwasser-ereignis optimal auf die Gewässerarme aufzuteilen ist.
Aktuell erstellen die Büros die Planungsunterlagen. Sie umfassen alle relevanten Maßnahmen für die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und die Habitatverbesserung der Berkel und ihrer Parallelgewässer sowie die Hochwasserschutzaspekte in Coesfeld bis zur Genehmigungsreife.
Dipl.-Ing. Martin Dornseifer,
Dipl.-Ing. Heike Schröder