Pilotstudie und an der Dhron – Kartierung und GIS-Analysen
Im Herbst 2014 kam es im Donnersbergkreis in Rheinland-Pfalz nach einem extremen Starkregen zu starken Überschwemmungen. Die ausufernden Gewässer führten große Mengen an Totholz und anderem Treibgut mit sich und besaßen ein deutlich erhöhtes Zerstörungspotenzial, was zu beachtlichen Schäden an Gebäuden und Infrastruktur führte.
Wie lässt sich die Hochwassergefahr durch Treibgut abschätzen? Wie sind Gefahrenpunkte lokalisierbar? Welche Schutzmaßnahmen sind erforderlich und möglich, um solche Schäden zukünftig zu vermeiden?
Um diese Fragen zu beantworten, beauftragte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz in Trier Hydrotec mit einer Pilotstudie. Am Beispiel des Gewässersystems der Dhron – einem Nebengewässer der Mosel im Hunsrück – war die Gefährdung durch ein solches Hochwasserszenario zu untersuchen sowie ein allgemeiner Katalog von möglichen Schutzmaßnahmen und konkrete Vorschläge für die Situation vor Ort zu entwickeln.
Dabei war der Pilotcharakter der Studie zu beachten, sodass die erarbeitete Methodik und die gewonnenen Erkenntnisse auf andere, vergleichbare Gewässer und Einzugsgebiete übertragbar sind.
Bestandsaufnahme: Wo kann Treibgut in das Gewässer gelangen?
Am Beginn des Projekts erfolgten die Begehung und Kartierung der ausgewählten, gut 50 km langen Gewässerstrecke der Dhron, Kleinen Dhron und des Thalfanger Bachs.
Im Sinne eines nachhaltigen Schwemmholzmanagements ist es wichtig, nicht nur die aktuelle Situation als Momentaufnahme zu erfassen, sondern auch die Hinweise in der Umgebung des Gewässers zu erkennen, die auf eine zukünftige Entstehung von Totholz hindeuten. Indikatoren sind z. B. angrenzende Waldgebiete, gewässerbegleitende Baumreihen und weitergehend die Altersstruktur und Artenvielfalt des Baumbestandes.
Doch eine Gefährdung ergibt sich nicht nur durch das im Gewässer transportierte Totholz (natürliche Gefährdung, siehe Bilder), sondern auch durch Frischholz oder gewässernah gelagerte Materialien (Müll, Schlagholz, Grünschnitt etc.), die im Hochwasserfall ins Gewässer eingetragen werden können (anthropogene Gefährdung, siehe Bilder).
Mithilfe eines detaillierten Kartierungsbogens wurden zahlreiche Parameter aufgenommen und ergänzend fotografisch dokumentiert. In Übersichts- und Detailkarten wurden die Ergebnisse der Kartierung dargestellt und analysiert. Zusätzlich wurden die beteiligten Institutionen (Kreise, Verbands- und Ortsgemeinden) befragt sowie die Anwohnerinnen und Anwohner durch eine Bürgerversammlung einbezogen.
In der Literatur finden sich Formeln, mit der sich die bei einem Hochwasser verfrachtete Schwemmholzmenge und die potenziell mobilisierbare Holzmenge stark vereinfacht abschätzen lassen. Vier verschiedene Ansätze wurden auf das Einzugsgebiet der Dhron übertragen und bewertet sowie den Kartierungsergebnissen gegenübergestellt.
Verklausungsgefahr an Querbauwerken
Von besonderem Interesse waren Brücken und Durchlässe, an denen das Schwemmgut bei Hochwasser Verklausungen verursachen kann. Eine Verklausungsgefahr kann sich ergeben aus
- einerseits einer zu geringen Bauwerksbreite (Breitensensitivität),
- andererseits einer zu geringen Bauwerkshöhe (Höhensensitivität).
Bei der Breitensensitivität konnte auf Angaben in der Literatur zurückgegriffen werden. Die Höhensensitivität wurde auf der Grundlage von hydraulischen Berechnungen abgeschätzt. Für die endgültige Bewertung, ob und in welchem Grad ein Durchlass breiten- oder/und höhensensitiv ist, wurden die Ergebnisse der Totholzkartierung genutzt.
In einer Karte wurden die Durchlasssensitivität für die untersuchten Gewässerabschnitte und die Bewertungskriterien je Durchlass dargestellt. Für den Bereich oberhalb eines Durchlasses bzw. einer Engstelle wurde abgeglichen, ob betroffene Objekte gemäß Hochwassergefahrenkarte erfasst sind.
Gefahrenbereiche lokalisieren und Maßnahmen konzipieren
Die Analysen zeigten die Gefahrenbereiche im Untersuchungsgebiet auf, die potenziell durch sich zusetzende Brücken/Durchlässe oder Engstellen gefährdet sind. Die in Siedlungen liegenden Gefahrenbereiche, in denen hohe Schäden durch Treibgut bzw. Verklausungen zu erwarten sind, wurden weitergehend untersucht und anhand von Steckbriefen detailliert beschrieben. Nach der Lokalisierung der Gefahrenbereiche galt es passende Schutzmaßnahmen zu entwickeln.
Sie lassen sich den folgenden drei Handlungsfeldern zuordnen:
- Reduzierung des Treibgutaufkommens
- Reduzierung der Verklausungsgefährdung
- Reduzierung der Schäden an der gefährdeten Nutzung
Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse, der Abstimmungen mit den Beteiligten und mithilfe eines allgemeinen Maßnahmenkatalogs wurden konkrete örtliche Maßnahmen für die untersuchten Gewässerstrecken vorgeschlagen, um die Hochwassergefahr durch Treibgut.
Im Untersuchungsgebiet erweisen sich mehrere teils parallel durchzuführende Maßnahmen als geeignet, um die Gefährdung zu reduzieren:
- Information der Anlieger mit Hinweisen zur Vermeidung der gewässernahen Lagerung von Materialien und Gegenständen
- Maßnahmen der Gewässerunterhaltung
- Forstwirtschaftliche Maßnahmen (wie Arten- und Altersvielfalt des gewässernahen Baumbestandes)
- Technische Maßnahmen zum Rückhalt von Treibgut
Welche technischen Maßnahmen und welche Standorte sind geeignet?
Als technische Maßnahmen für den Totholzfang im Hochwasserfall im Untersuchungsgebiet erwies sich die Aufstellung von v-förmigen Rechen (V-Rechen) als sinnvoll.
Um die optimalen Standorte für diese V-Rechen zu finden, wurden die Gefahrenbereiche anhand von Lagekriterien analysiert. So ließ sich je Gefahrenbereich ein möglicher Maßnahmenstandort ermitteln. Die Hochwassergefährdung darf sich durch diese Maßnahme nicht verschärfen.
Deshalb waren die hydraulischen Auswirkungen eines V-Rechens mithilfe von 1D-hydraulischen Berechnungen mit Jabron für die Maßnahmenstandorte abzuschätzen. Zusätzlich wurde ein V-Rechen beispielhaft dimensioniert und die Baukosten abgeschätzt.
Übertragbare Vorgehensweise zur Ermittlung der Hochwassergefahr durch Treibgut entwickelt
Die Pilotstudie zeigt eine Methode zur Ermittlung des Totholzaufkommens auf, stellt die Hochwassergefahr durch Treibgut am Beispiel des Gewässersystems Dhron dar und gibt Empfehlungen, um die dadurch entstehenden Gefährdungen zu verringern. Es ist davon auszugehen, dass weitere Gewässersysteme in Rheinland-Pfalz ähnlich betroffen sind.
Die in dieser Studie entwickelte Vorgehensweise ist auf andere Gewässersysteme übertragbar. Die erarbeitete und angewendete Methodik führt zu belastbaren Ergebnissen und Bewertungen. Grundlage ist eine detaillierte Erfassung der Gefahren durch Treibgut.
Dipl.-Ing. Dirk Sobolewski, M.A. Geogr. Susanne Kurz