Lektorat wasserwirtschaftlicher Dokumente
29.11.20162D-Modellierung Polder Elisabethenwört (Rhein)
29.11.2016Optimale Kombination von lokalen Maßnahmen und Retentionsräumen
Die im Sauerland gelegene Stadt Lennestadt ist häufig von Hochwassern des Flusses Veischede betroffen. Vereinzelte lokale Maßnahmen haben bisher keine durchgreifende Verbesserung bewirkt. Deshalb entschied sich die Stadt, von Hydrotec ein übergreifendes Konzept für den kommunalen Hochwasserschutz (Hochwasserschutzkonzept Veischede) erstellen zu lassen. Dazu untersuchten wir die hydraulischen Bedingungen und zeigten auf, welche möglichen dezentralen Hochwasserschutzmaßnahmen innerhalb und außerhalb der Ortslagen grundsätzlich realisierbar sind. Diese Maßnahmen wurden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und ihrer Kosten bewertet und priorisiert.
Mit Variantenrechnungen ließ sich die optimale Kombination von lokalen Maßnahmen und Retentionsräumen ermitteln. Das ermöglicht es der Stadt, Lösungen zu finden, die den Hochwasserschutz wirkungsvoll verbessern und den kommunalen Haushalt möglichst gering belasten.
Hochwassersituation in Lennestadt
In der Vergangenheit gab es immer wieder Hochwasserschäden im Tal der Veischede, die durch Lennestadt im Sauerland fließt. Die Überschwemmungsgebiete an der Veischede, die im Rahmen der Umsetzung der EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (EU-HWRM-RL) ermittelt wurden, bestätigen, dass einige Ortsteile der Stadt massiv von Hochwasser bedroht sind (siehe „NRW Umweltdaten vor Ort„).
Die Stadt hat bereits verschiedene Maßnahmen zum Hochwasserschutz geplant und auch umgesetzt, wie z. B. die Vergrößerung von Brückendurchlässen oder die Herstellung von Flutmulden im Oberlauf. Es fehlte jedoch an einem übergreifenden Hochwasserkonzept Veischede, das die vorhandenen Möglichkeiten zum Hochwasserrückhalt aufzeigt, sie nach hydraulischen, ökonomischen sowie ökologischen Aspekten bewertet und ein optimiertes Maßnahmenpaket vorschlägt. Für ein solches Hochwasserschutzkonzept Veischede erhielt Hydrotec im Herbst 2015 den Auftrag.
Defizitanalyse
In einem ersten Schritt analysierten wir die Defizite im Hochwasserschutz anhand der bereits vorhandenen Informationen und ergänzten diese durch Begehungen und Termine vor Ort. Dabei stellten wir in besiedelten Bereichen Uferstrukturen fest, die ggf. nicht ausreichend detailliert in den Grundlagendaten (DGM) der vorliegenden Berechnungen der Überschwemmungsgebiete abgebildet sind. Aus diesem Grund ließ die Stadt Nachvermessungen durchführen, deren Daten in den hydraulischen Berechnungen der Planzustände verwendet wurden.
Integration von Hochwasserschutz und Gewässerökologie
Bei der Konzeption von Maßnahmen zum Hochwasserschutz ist das Verbesserungsgebot der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) zu beachten. Die ökologische Bestandsanalyse gemäß EU-WRRL hatte gezeigt, dass sich die Veischede großenteils in einem erheblich veränderten Zustand befindet (siehe Planungseinheitensteckbrief für das Gebiet Ruhr) .
Daher wurden bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Gewässers die schadensfreien Abflüsse im Projekt so festgelegt, dass Auenbereiche bei kleinen Hochwassern potenziell überflutet werden.
Umgekehrt ist zu prüfen, ob sich geplante Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung auf das Abflussverhalten und auf den Hochwasserschutz auswirken. Die an der Veischede geplanten Maßnahmen beinhalten keine maßgebliche Entwicklung von Retentionsraum, daher ist eine Reduzierung des Abflusses auf dieser Grundlage nicht zu erwarten. Vorgesehen ist die Anpflanzung von Gehölzsäumen, die sich bremsend auf den Wellenablauf auswirkt. Dies wurde entsprechend in das hydraulische Modell integriert.
Erhöhte Abflussleistung allein bietet keine Lösung
In einigen Bereichen ist es möglich, z. B. durch Aufweitung des Gewässers in den betroffenen Abschnitten oder den Rückbau von Brücken, die Leistungsfähigkeit der Veischede zu vergrößern. Die Steigerung der Abflussleistung wirkt sich auch auf den Unterlieger aus. Daher wurde in einer Variantenstudie untersucht, wie die geplanten Retentionsräume optimal genutzt werden können und in welchem Maße eine Leistungssteigerung möglich ist. Dabei sollte weder vorhandener Retentionsraum unwirksam, noch die Hochwassersituation der Unterlieger verschlechtert werden.
Sieben mögliche Standorte für HRB
Die Ergebnisse der Defizitanalyse zeigten, dass ein Bau von Hochwasserrückhaltebecken (HRB) im Einzugsgebiet in jedem Fall erforderlich ist. Bei der Auswahl möglicher Standorte wurden zunächst Luftbilder und DGM hinsichtlich der benötigten Flächen, des Bewuchses, bestehender Schutzgebiete und der Topologie ausgewertet. Dadurch ergaben sich neun mögliche Standorte für die Einrichtung von Hochwasserrückhalteräumen.
Zwei von ihnen fielen aufgrund ungünstiger topografischer Gegebenheiten aus der weiteren Betrachtung heraus. Die verbliebenen sieben potenziellen HRB-Standorte wurden mit hydraulischen 2D-Berechnungen mit HYDRO_AS-2D und Kostenvergleichen weiter untersucht und bewertet. Als Kriterien dienten der verfügbare Retentionsraum, der erforderliche Bodenaushub, die Flächenverfügbarkeit sowie die zu erwartenden Betriebskosten der Standorte.
Hydraulische Berechnungen der Varianten
Mit HYDRO_AS-2D sollten zum einen die Annahmen zur Ermittlung der erforderlichen Einstauvolumina verifiziert werden, zum anderen sollten die Auswirkungen und die Wirksamkeit dieser Maßnahmen nachgewiesen werden. Zunächst wurden zwei Basis-Varianten des Modells aufgestellt.
Variante 1: Istzustand unter Berücksichtigung bereits geplanter Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung. Diese Variante diente in erster Linie zur Kalibrierung und Verifizierung des 2D-Modells sowie als Referenzzustand für die Beurteilung der konzipierten Hochwasserschutzmaßnahmen.
Variante 2: Zustand mit allen potenziellen HRBStandorten mit dem maximal möglichen Retentionsraum. Mit dieser Variante wurden die konzeptionell ermittelten Volumina überprüft und verifiziert. Sie diente als Grundlage zu einer weitergehenden Variantenbetrachtung mit möglichen HRB-Kombinationen.
Diese Modellierungen ergaben: um ein 100-jährliches Hochwasser schadenfrei abfließen zu lassen, ist ein Rückhaltevolumen von insgesamt ca. 300.000 m³ an fünf Beckenstandorten erforderlich.
Optimum für den Hochwasserrückhalt gefunden
In einer weitergehenden Variantenbetrachtung wurden verschiedene Kombinationen von Beckenstandorten sowie der Steigerung der Leistungsfähigkeit an ausgewählten Engstellen im Gewässer untersucht.
Durch Maßnahmen an der Veischede in den Ortschaften Bilstein und Kirchveischede kann die Leistungsfähigkeit von minimal 2,5 m³/s auf durchgängig 12 m³/s erhöht werden. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung des benötigten Rückhaltevolumens von 300.000 m³ auf 172.000 m³.
Anhand einer Optimierung der Drosselabflüsse an den fünf Beckenstandorten kann das Volumen optimal aufgeteilt und mit nur geringfügigem Bodenaushub realisiert werden.
Die 2D-Modellierung dieser Optimal-Variante mit erhöhter Leistungsfähigkeit und den fünf Hochwasserrückhaltebecken zeigt eine deutliche Verbesserung des Hochwasserschutzes: Die bisher betroffenen bebauten Bereiche in Lennestadt sind, in Teilbereichen durch geringfügige örtliche Maßnahmen unterstützt, bis zum HQ100 überflutungsfrei.
Dipl.-Ing. Gunnar Schmalz, Dipl.-Ing. Johannes Rohde, Dipl.-Ing. Heike Schröder