WWI – Wasserwirtschaftliches Informationssystem
26.10.2011
LAWA-Anleitung zur EG-HWRM-RL
23.11.2011
WWI – Wasserwirtschaftliches Informationssystem
26.10.2011
LAWA-Anleitung zur EG-HWRM-RL
23.11.2011

Synergie von Gewässerökologie und Hochwasserretention

Im Zuge der Unterhaltung und Entwicklung des Morsbach-Systems wurde in diesem Gemeinschaftsprojekt der Büros Koenzen (Hilden) und Hydrotec im Auftrag des Wupperverbands ein Konzept zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern (KNEF) erarbeitet.

Der Morsbach und seine Nebenbäche versorgten jahrhundertelang zahlreiche Metall verarbeitende Betriebe im Bergischen Land mit Energie. Das heutige Erscheinungsbild der Gewässer ist noch stark von dieser intensiven Nutzung geprägt. Viele Abschnitte weisen nicht gewässertypenspezifische Querprofile sowie gestreckte Verläufe auf. Vielfach ist die Ausuferungsmöglichkeit zur natürlichen Aue verlorengegangen.

copy_of_HasterAue.png

Der Morsbach durchfließt bei Remscheid die Haster Aue.

Parallel und im Einklang mit den Zielen und Maßnahmen des KNEF sollten Vorschläge entwickelt und geprüft werden, wie das Retentionspotential der Gewässer verbessert werden kann. Ein weiterer zu untersuchender Aspekt war, inwieweit sich unerwünschte Sedimentationsprozesse (Sohlverschlammung) durch eine sinnvolle Profilgestaltung verhindern lassen.

Synergie von Gewässerökologie und Hochwasserschutz

Hochwasserschutz (Stichwort „EG- HWRM-RL“) und Verbesserung der Gewässerökologie (Stichwort „EG-WRRL“) sind zwei Seiten einer Medaille. Ziel des Projekts war es, aus dem Spektrum der möglichen Maßnahmen diejenigen herauszufilten, zu bewerten und zu priorisieren, die diesbezüglich einen hohen Synergieeffekt aufweisen. Das KNEF wurde dadurch zu einem „KNEF++“. Dazu erfolgte eine Bewertung der KNEF-Maßnahmen unter folgenden Aspekten:

  • Zielerreichung des „guten ökologischen Zustandes“ unter Berücksichtigung des Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzepts („KNEF +“)
  • Auswirkung von stärker gegliederten Profilen auf die maßgeblichen Abflussparameter
  • Verbesserte Retentionswirkung bei Hochwassern („KNEF ++“)

Während das Büro Koenzen die gewässerökologischen Aspekte des Projekts bearbeitete, kamen unsere Expertise und unsere Modelltechnik für die hydraulisch/hydrologischen Untersuchungen zum Tragen.

Leitbildgerechte Profilgestaltung verbessert Abflussverhältnisse

Für die im Einzugsgebiet vorkommenden Fließgewässertypen entwickelte das Büro Koenzen mehrere leitbildgerechte Profilquerschnitte. Mit dem 1D-Wasserspiegellagenprogramm Jabron führten wir eine Sensitivitätsanalyse bzgl. der Wassertiefe, der mittleren Fließgeschwindigkeiten und der Schubspannung unter Variation der Parameter Gefälle und Abfluss durch. Dadurch wurde erkennbar, inwieweit eine leitbildgerechte Profilgestaltung zu einer Verbesserung der Abflussverhältnisse führt.

Naturnah gegliedertes Profil (Quelle: Büro Koenzen)

Naturnah gegliedertes Querprofil (Quelle: Büro Koenzen)

Ermittlung potenzieller Retentionsräume

Welche Flächen stehen überhaupt für den Hochwasserrückhalt zur Verfügung? Diese grundlegende Frage beantworteten wir mithilfe einer Analyse mit 1D- und 2D-Verfahren ergänzt durch GIS-Bearbeitungen. Ergebnis war ein Kataster, das 56 potenzielle Retentionsflächen enthielt.

Eine anschließende Erstbewertung anhand von geografischen,  ökologischen und wasserwirtschaftlichen Kriterien zielte darauf ab, eine frühzeitige Verknüpfung der Retentionsmaßnahmen mit den Maßnahmen des KNEF zu gewährleisten und bei den weiteren Untersuchungen die möglichen WIN-WIN-Effekte zu ermitteln.

Schwerpunktbereiche unter der Lupe

Aus 17 als geeignet herausgefilterten Retentionsflächen und 13 im KNEF positiv bewerten Gewässerabschnitten wurden 14 Schwerpunktbereiche gebildet. Die Wirkungsanalyse umfasste folgende Aspekte:

  • Hydraulik: Veränderung der mittleren Fließgeschwindigkeiten, der Sohlschubspannungen und der Wasserspiegellagen sowie die Auswirkungen des Rückbaus von zwei hohen Abstürzen
  • Volumengewinn durch die Umgestaltungsmaßnahmen und die Neuanbindung von Retentionsraum
  • Hydrologie: Rückhaltewirkungen und Veränderung des Scheitelabflusses
  • Schadens- und Risikoreduzierung
  • Kosten der Maßnahmen
Schwerpunktbereiche.png

Schwerpunktbereiche (schwarz) mit Darstellung aller Retentionsräume (rot) im Einzugsgebiet des Morsbachs


Durch hydraulische und hydrologische Modellsimulationen konnten die Veränderungen im Vergleich zum derzeitigen Zustand ermittelt und bewertet werden. Ergänzend wurden für die Schwerpunktbereiche die Verfügbarkeit bzw. der Erwerb von Grundstücken erhoben sowie die Umsetzbarkeit (Restriktionen) und die Kosten von möglichen Abgrabungen ermittelt.

Bewertungsmatrix liefert Entscheidungsgrundlage

Die Ergebnisse aller Analysen zu den Schwerpunktbereichen wurden in einer Matrix zusammengefasst und bewertet. Zwei der Schwerpunktbereiche erhielten die Bewertung („++“). Hier lassen sich erhebliche Verbesserungen erreichen. Eine geringe Verbesserung („+“) sind an fünf weiteren untersuchten Bereichen zu erwarten. Bei 4 Schwerpunktbereichen konnte nur eine vernachlässigbare bzw. keine Wirkung („o“) festgestellt werden. Drei Schwerpunktbereiche wiesen sogar eine ungünstige Maßnahmenwirkung („-“) auf.

Zur Veranschaulichung des Ergebnisses wurde für jeden Schwerpunktbereich ein Steckbrief entwickelt, der seine Kenndaten, die potenziellen Maßnahmen, die Analyseergebnisse und die abschließende Bewertung enthält.

Steckbrief_Auszug.png

Kartografische Darstellung im Steckbrief eines Schwerpunktbereichs (Kartengrundlage DGK 5)


Auf dieser Grundlage kann der Wupperverband eine Priorisierung der kurz- und mittelfristig durchführbaren Maßnahmen des KNEF unter Berücksichtigung von hydraulischen und hydrologischen Aspekten vornehmen.

Dipl.-Ing. Fritz Hatzfeld, Dipl.-Ing. Dirk Sobolewski