Hydrothemen Nr. 20 / April 2011
20.04.2011Starkregen: Prognosemodell für Hanglagen
20.04.2011Hochwasserschutz am Mareiter Bach verbessern
Die „Flussraumagenda Alpenraum“ konstatierte für den in Südtirol liegenden Flussraum des Oberen Eisack dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich der Gewässerökologie und des Hochwasserschutzes. Der extrem verengte und begradigte Flussraum weist nur wenig abflusswirksame Flächen auf. Ein besonders hohes Gefährdungspotenzial geht vom Mareiter Bach aus, der schon bei HQ30 großflächig über die Ufer tritt und damit ein hohes Risiko für mehrere Wohn- und Gewerbegebiete sowie international bedeutende Verkehrsverbindungen wie die Brennerautobahn darstellt.
Das Hochwasserschutzprojekt Mareiter Bach sollte eine Planungsgrundlage für eine Verbesserung der Situation schaffen. 2010 erhielt das Büro Ernst Basler + Partner von der Autonomen Provinz Bozen den Auftrag dazu. Hydrotec übernahm im Rahmen des Projekts die hydraulische 2D-Modellierung des Gewässers, die Erstellung der Gefahrenkarten, die Schadenspotenzialermittlung, die Entwicklung der Maßnahmenvorschläge und untersuchte die Auswirkungen der anvisierten Maßnahmen auf den Geschiebetransport.
Variantenanalyse zu Hochwasserschutzmaßnahmen
Auf der Basis einer Variantenanalyse wurden konkrete Hochwasserschutzmaßnahmen projektiert und in einer Bestvariante zusammengestellt. Diese ist charakterisiert durch große Flussaufweitungen und Umgestaltungen der Uferbereiche zu Flachufern sowie Änderungen an Brückenbauwerken. Im unteren Bereich des Gewässerlaufs werden die Flächen eines Golfplatzes sowie ausgedehnte Landwirtschaftsflächen in Überlastsituationen als Überflutungskorridore vorgesehen.
Feststoffhaushalt alpiner Gewässer
Eingriffe in den Gewässerverlauf können insbesondere bei alpinen Gewässern zu langfristigen Sohlenveränderungen führen, die sich negativ auf die Gewässermorphologie und auf die vorgesehenen Hochwasserschutzmaßnahmen auswirken können. Um Auflandungs- bzw. Erosionsprozesse zu prognostizieren und ggf. ihre Auswirkungen abschätzen zu können, wurde der Gewässerabschnitt im Ist- und Planzustand mit dem 2D-Modell für Gewässerhydraulik HYDRO_AS-2D und seiner Erweiterung für Geschiebetransport HYDRO_GS-2D abgebildet.
GIS-gestützte Ermittlung der Geschiebefracht
Für die Geschiebemodellierung waren Initialrandbedingungen für den Zufluss sowie für die Gewässersohle zu definieren. Die Kornverteilung der Zuflussfracht sowie der Gewässersohle wurden auf Basis von Linienproben aus charakteristischen Gewässerabschnitten festgelegt. Die Zuflussfracht wurde mithilfe einer GIS-Analyse abgeschätzt, in die 2D-Modellierung des Geschiebetransports Hochwasserschutzprojekt Mareiter Bach, Südtirol die Neigung der einzelnen Gerinneabschnitte der Teilgebiete sowie die Geschiebemobilisierung pro Teilgebiet als Parameter eingingen.
HYDRO_GS-2D
Die 2D-Berechnung erfolgt mit dem Programm HYDRO_GS-2D Mehrkorn, einer Erweiterung des 2D-Modells HYDRO_AS-2D. Das Mehrkornmodell HYDRO_GS-2D löst neben den Strömungsgleichungen die Gleichungen für den Sedimenttransport sowie die daraus resultierenden Sohlhöhenveränderung. Die Berechnung des Geschiebetriebs erfolgt nach der erweiterten Meyer-Peter-Müller-Formel. Die infolge des Sedimenttransportes resultierenden Sohlhöhenveränderungen werden mit der Exner-Gleichung gelöst. Das Modell betrachtet fünf verschiedene Korngrößen.
Bestvariante bestätigt
Die Gegenüberstellung der maximalen berechneten Schubspannungen an der Gewässersohle im Längsschnitt macht deutlich, an welchen Gewässerabschnitten mit Änderungen im Feststoffhaushalt zu rechnen ist. Neben einzelnen Schubspannungsspitzen (z. B. an Brücken) sind infolge der vorgesehenen Gewässeraufweitungen im Planzustand tendenziell geringere Sohlspannungen zu verzeichnen. Die Modellierung ergibt, dass die vorgesehenen Maßnahmen sich nur geringfügig auf die Geschiebebewegung auswirken. Die Stellen, an denen die Sohle zu sichern ist, lassen sich klar identifizieren.
Grundlage für Ausführungsplanung
Mit dem vorliegenden Projektergebnis verfügt die Autonome Provinz Bozen über die erforderlichen Grundlagen, um die Ausführungsplanung für die Umgestaltung des Mareiter Bachs in Angriff zu nehmen.
Dr.-Ing. Alpaslan Yörük