Hydrothemen Nr. 43 für Sie!
12.12.2022Hochwasservorhersage für NRW auf Basis von Delft-FEWS
13.12.2022Was wäre, wenn? Dammbruchszenarien Steinbachtalsperre und Analyse Hochwasser Juli 2021 am Steinbach
Zur Aufarbeitung des Hochwasserereignisses 2021 gehört es, die aufgetretenen Wasserstände und Durchflüsse zu analysieren und sie statistisch einzuordnen. Auf dieser Basis ist es möglich, ggf. Überschwemmungsgebiete zu aktualisieren und die Vorsorgewerkzeuge wie Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten für den nächsten Zyklus der EU-HWRM-Richtlinie zu aktualisieren. Bestehende Hochwasserschutzmaßnahmen lassen sich anhand der neuen Daten überprüfen und ggf. anpassen.
An vielen kleineren betroffenen Einzugsgebieten liegen keine verlässlichen Pegeldaten von dem Extremhochwasser im Juli 2021 vor, weil Messeinrichtungen aufgrund von Pegelumläufigkeiten nicht den gesamten Durchfluss erfassen konnten und zudem viele von ihnen bei steigendem Wasserstand zerstört wurden.
Die hydronumerische Modellierung des Hochwasserereignisses ermöglicht es, das Ausmaß des Hochwassergeschehens abzubilden, die fehlenden Messdaten zu ergänzen und diese in die Hochwasserstatistik zu integrieren.
2D-Modell des Steinbachs
Analog zur Modellierung der Erft erstellte Hydrotec im Auftrag der BR Köln ein 2D-Modell des Steinbachs und seiner Nebengewässer mit dem Ziel, das Hochwasserereignis zu rekonstruieren und die bestehenden Abflusskurven zu aktualisieren.
Für den Aufbau des 2D-Modells wurden zunächst vorhandene Gewässerprofildaten ausgewertet und in das DGM des Einzugsgebiets integriert. Zahlreiche Bauwerke wie Durchlässe, Verrohrungen und Brücken waren detailliert in das Berechnungsnetz zu übernehmen. Im Rahmen von Begehungen wurden der Gewässerverlauf und viele teilweise noch gut sichtbare Hochwassermarken aufgenommen. Diese Informationen dienten zusammen mit den verwertbaren Pegeldaten zur Kalibrierung des Modells.
Ergebnis: Überschwemmungsgebiete und HW-Statistik
Durch die Auswertung der zahlreichen Hochwassermarken sowie von Luftbildern, auf denen die Ausdehnung der Überflutung zu erkennen war, ließ sich an definierten Orten der Hochwasserscheitel rekonstruieren. Dabei wurde der Einfluss von Verklausungen bzw. Topografieänderungen (verursacht durch starke Erosion oder den Bruch der Autobahn A61) berücksichtigt. Im nächsten Schritt werden die ermittelten Abflüsse in eine Hochwasser-Statistik integriert.
Dammbruch der Steinbachtalsperre modelliert
Während der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 füllte sich die Steinbachtalsperre bei Euskirchen-Kirchheim bis zur Dammkrone, lief über und drohte zu brechen. Die Wassermassen beschädigten den Damm schwer, sodass mehrere Ortschaften unterhalb der Talsperre vorsorglich evakuiert wurden. Die mehrere Tage dauernde Gefahrenlage hielt ganz Deutschland in Atem. Glücklicherweise konnte der verschlossene Ablass der Talsperre durch den mutigen Einsatz eines Bauunternehmers geöffnet werden, was dazu beitrug, den Bruch des Damms zu verhindern.
Hydrotec erhielt vom Wasserversorgungsverband Euskirchen-Swisttal (WES) den Auftrag, anhand einer Simulationsstudie, die Folgen eines möglichen Dammbruchs, bei Mittelwasserabfluss sowie bei Hochwasserabfluss (Hochwasser 2021), detailliert zu ermitteln und darzustellen.
Animierte Darstellung in HydroAS MapView
Dazu erstellten wir mit HydroAS das 2D-Modell für die Steinbachtalsperre und den unterhalb liegenden Bereich und visualisierten die Berechnungsergebnisse als Kartenanimation in HydroAS MapView.
Durch das Modell wird für potenzielle Szenarien deutlich, welche Bereiche bei einem Dammbruch zu welchem Zeitpunkt betroffen sein können und wo ggf. Anwohner zu evakuieren wären. Auf Basis dieser Ergebnisse lassen sich z. B. Einsatzpläne für THW und Feuerwehr entwickeln.
Hochwasserschutz für den zukünftigen Betrieb stärker verankert
Aktuell lässt der WES durch die Betriebsführerin e-regio GmbH & Co. KG die Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung der Talsperre prüfen. Die ersten Pläne sehen vor, die nach der Flut zur Bauwerkssicherung errichtete Dammscharte mit einem steuerbaren Durchlassbauwerk so zu verschließen, dass die Steinbachtalsperre zukünftig sowohl zur Brauchwasserversorgung als auch zum Hochwasserschutz genutzt werden kann.
Evakuierung im Juli 2021 wurde bestätigt
In der Animation in HydroAS MapView ist sehr genau zu erkennen, bis wohin und in welcher Intensität das Wasser im Juli 2021 nach einem Dammbruch geflossen wäre. Das 2D-Modell ermittelt die dabei auftretenden Kräfte und auch die zu erwartenden Wasserstände.
Das Ergebnis macht deutlich: Viele der unterhalb liegenden Ortschaften wären innerhalb kurzer Zeit von den Wassermassen überflutet und stark beschädigt worden. Dieses Ergebnis bestätigt die damalige Entscheidung, diese Dörfer vorsorglich zu evakuieren, als verantwortungsvoll und richtig.
Prof. Dr.-Ing. Alpaslan Yörük, Dipl.-Ing. Andreas Förster
Informationen in den Medien
Ein Film-Beitrag des WDR zeigt die in HydroAS MapView erstellte Animation des 2D-Modells sowie den aktuellen Zustand der Talsperre und interviewt kommunale Akteure bzgl. der anstehenden Pläne zum Wiederaufbau der Talsperre.
Auch der General-Anzeiger berichtet in seiner Ausgabe vom 28.09.2022 über die Aktivitäten der Kommunen zur Steinbachtalsperre.