Das große Spektrum der hydronumerischen Modellierung
27.05.2021
Softwareentwicklung für die Wasserwirtschaft
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NASIM-HDR-Modell eines durch Siel- und Schöpfwerke regulierten Einzugsgebiets

Das in Ostfriesland gelegene Große Meer ist ein natürlicher Flachsee mit einer Fläche von ca. 350 Hektar. Es ist durch Nährstoffeinträge von Eutrophierung bedroht.

Hydrotec bekam 2020 vom Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems den Auftrag, das Einzugsgebiet des Sees mit NASIM modelltechnisch abzubilden. Die Untersuchung war Teil eines Gesamtprojekts mit mehreren Büros und Institutionen. Die Teilergebnisse fließen in ein limnologisches Gutachten ein, aus dem wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Nährstoffsituation abgeleitet werden sollen (Planungsbüro Koenzen/lanaplan).

Ziel unserer Modelluntersuchungen war, ein besseres Verständnis der hydrologischen und hydraulischen Vorgänge im Einzugsgebiet des Großen Meeres zu erhalten. Dadurch lässt sich die Wirkung von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen besser abschätzen, um eine nachhaltige Verbesserung der Situation zu erreichen.

Ansprechperson: Dipl.-Ing. Heike Schröder

N-A-Modell Großes Meer

Sanierungskonzept aus 2000 aktualisieren

Neben seinem ökologisch hohen Stellenwert dient das Große Meer als großes Speicherbecken für den Hochwasserschutz und stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Tourismus dar.  Unter anderem aufgrund der geringen Wassertiefe von max. 1 m und der erforderlichen Regulierung des Wasserhaushalts durch Siel- und Schöpfwerke (der Großteil des Einzugsgebiets liegt unter Normalnull) leidet die Ökologie des Sees.

Der ursprünglich nährstoffarme Klarwassersee führt heute sehr nährstoffreiches Seewasser, das durch Algen und Schlamm eingetrübt ist. Die Uferbereiche verlanden und verbuschen zunehmend und viele typische Tier- und Pflanzenarten sind verschwunden. Um diese Situation zu verbessern, wurde bereits im Jahr 2000 ein Sanierungskonzept erarbeitet. Es soll jetzt anhand der Ergebnisse der aktuellen limnologischen Studie aktualisiert und ergänzt werden und eine Basis für weitere zielgerichtete Planungen und Maßnahmen am Großen Meer bilden.  Als Grundlage wurden hydrologische und hydraulische Berechnungen für verschiedene Lastfälle durchgeführt und die zugehörigen Nährstoffströme bilanziert.

NASIM als Software zur Modellierung des stauregulierten Einzugsgebiets

NASIM ist für diese Modellierungsaufgabe hervorragend geeignet, weil alle zu untersuchenden Aspekte in einem einzigen Modell integriert betrachtet werden können:

  • NASIMAbbildung der gesamten Wasserhaushaltsbilanz im Einzugsgebiet (Berücksichtigung von Bodenzone und Bewuchs)
  • Abbildung der Fließvorgänge mit dem hydrodynamischen Rechenkern (Fließumkehr, Rückstau, Abflussaufteilung)
  • Steuerung von Bauwerken über die Angabe von Regeln (z. B. wasserstandsgesteuerte Wehrstellung)
  • Kalibrierung des Modells anhand von Abfluss- und Wasserstandmesswerten
  • Bilanzierung von Nährstofffrachten (Phosphor, Chlorid, Stickstoff) für festgelegte Zeiträume und Szenarien

Mit dem in NASIM implementierten hydrodynamischen Rechenkern (HDR) lassen sich die hydraulischen und hydrologischen Vorgänge in dem Modell gemeinsam abbilden und berechnen. Der 1D-Berechnungsansatz basiert auf der diffusen Wellenapproximation.

Komplexes N-A-Modell aufbauen

N-A-Modell Großes MeerDer Untersuchungsraum war zunächst so abzugrenzen, dass eine Bilanzierung der Zu- und Abflüsse für das Einzugsgebiet des Großen Meeres möglich war. Das 148 km2 große Modellgebiet wurde in 33 kleinere Teileinzugsgebiete unterteilt.

Ihre Größe orientiert sich an der Gewässerstruktur, den Poldergebieten und den zu erwartenden Fließzeiten im Einzugsgebiet. Stauanlagen, Seen oder Pumpwerke werden in NASIM als Speicherelemente mit Volumen und Drosselabfluss modelliert. Der integrierte hydrodynamische Ansatz (HDR) bietet die Möglichkeit, den Zufluss und den Drosselabfluss zu einem Speicherelement über ein steuerbares Wehr abzubilden, das in Abhängigkeit vom Unterwasserstand den Zufluss (oder Abfluss) berechnet. Dadurch ist die Fließumkehr darstellbar.

Das Große Meer ist über die vier Stauwehre mit dem umliegenden Gewässernetz verbunden.  Diese Verbindungen wurden über steuerbare Wehre mit den Kenndaten der realen Wehre abgebildet.  Die vorgegebenen Sommer- und Winterpegelstände wurden als Unterwasserstand am Gebietsauslauf definiert.

Gewässersystem hydrodynamisch modelliert

Zur Abbildung des Gewässersystems im Einzugsgebiet wurden die Hauptabflusswege identifiziert und in NASIM als Transportelemente abgebildet. Das Gewässernetz ist jedoch an vielen Stellen verbunden, sodass auch eine Umkehr der Fließrichtung möglich ist.  Für die Aufstellung der Wasserbilanz war es elementar, dieses Verhalten korrekt abzubilden. Die Fließvorgänge in den Gewässerabschnitten wurden mithilfe der in NASIM integrierten 1D-hydrodynamische Berechnungsmethode  berechnet. Dazu wurden von der Jade-Hochschule vermessene Querprofile in Jabron aufbereitet. Die Profilinformationen wurden über eine xml-Datei wiederum an NASIM übergeben.

N-A-Modell Großes Meer

Gutes Kalibrierungsergebnis

Im Rahmen der Untersuchung wurden an den vier Stauwehren am Großen Meer Abfluss und Wasserstand über ein Jahr gemessen. Diese Informationen wurden für die Kalibrierung des Modells herangezogen. Als Belastungsdaten wurden Niederschlagszeitreihen von zwei Stationen des DWD verwendet.

Die Ermittlung der Wasserbilanz war ein wesentliches Ziel der Untersuchung. Deshalb wurden neben den berechneten Ganglinien auch die Abflussbilanzen des Messzeitraumes ermittelt und verglichen. Insgesamt konnte eine gute Übereinstimmung zwischen den berechneten und den gemessenen Abflüssen erzielt werden (s. Diagramm).

Nährstofffracht und -modellierung

Im Einzugsgebiet des Großen Meeres wurden an 15 Messstellen über einen Zeitraum von einem Jahr (Juli 2019 – Juli 2020) wöchentlich die Konzentration der Nährstoffe Chlorid, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Ortho-Phosphat gemessen. Zur Bilanzierung der Nährstofffrachten haben wir die berechneten Abflüsse an den Nährstoffmessstellen mit den Messungen der Nährstoffkonzentrationen verknüpft. Aus Konzentrationen und Abflüssen ließen sich Frachtganglinien ermitteln, die zu Monatssummen (in kg) zusammengefasst wurden.

Effektives Instrument für Planungen und Nachweise

Das von uns in NASIM aufgestellte Wasserbilanzmodell ermöglicht ein sehr gutes Verständnis der hydrologischen und hydraulischen Prozesse im gesamten Einzugsgebiet des Großen Meeres, inklusive des Fließumkehr- und Rückstauverhaltens. Der Einfluss der Stauhaltung auf den Transport von Nährstoffen ist deutlich erkennbar und lässt sich gut quantifizieren.

Das Modell bietet eine wichtige Grundlage zur Konzipierung von Maßnahmen, die die ökologische Situation des Großen Meeres verbessern sollen.  Der Auftraggeber verfügt damit über ein effektives Instrument, mit dem er die Wirkung möglicher Maßnahmen prüfen und Nachweise für zukünftige Planungen führen kann.

Dipl.-Ing. Heike Schröder

Dipl.-Ing. Heike Schröder

Heike Schröder

Die Ingenieurin für technischen Umweltschutz begann 1996 ihre Tätigkeit bei Hydrotec in der Essener Zweigstelle, deren Leitung sie 2010 übernahm. Sie ist seit 2015 Gesellschafterin bei Hydrotec und erhielt 2016 Prokura.

Die Spezialistin für Urbanhydrologie und Gewässerentwicklung arbeitete erfolgreich an vielen Teilprojekten zur Vorplanung des Umbaus des Emschersystems mit. Mit unseren Software-Werkzeugen NASIM und HYDRO_AS-2D findet sie optimale Lösungen für anspruchsvolle Modellierungsaufgaben in allen Bereichen der Stadtentwässerung und Regenwasserbewirtschaftung, im vorsorgenden Hochwasserschutz, der Bauwerksbemessung und der Gewässerbewirtschaftung.

Auftraggeber bei Kommunen, Wasserverbänden und Unternehmen schätzen ihre große fachliche Kompetenz und ihre pragmatische Herangehensweise, mit der sie komplexe Aufgabenstellungen bewältigt.