Der Axtbach ist als Risikogewässer NRW gemäß EU-Hochwasserrisikomanagement- Richtlinie eingestuft (28 von 34,1 Fließkilometer). Er durchfließt die westfälische Stadt Oelde, auf deren Gebiet es in den Jahren 2007, 2010 und 2015 zu größeren Hochwasserereignissen kam. Aufgrund großflächiger Überflutungen mit enormen Sachschäden bei dem Hochwasserereignis im August 2007 ließ die Stadt ein Hochwasserschutzkonzept erarbeiten. Im Zuge der Umsetzung wurden bis zum Jahr 2017 fünf zusätzliche Hochwasserrückhaltebecken (HRB) angelegt.
Hydrotec erhielt 2019 den Auftrag, das aktuelle Abflussverhalten im Einzugsgebiet des Axtbachs mit NASIM zu analysieren und die Nutzung des Speichervolumens sowie die Steuerung der Drosselabflüsse zu optimieren. Die mit NASIM optimierte Bauwerkssteuerung mündete in einem aktualisierten Betriebs- und Hochwasseralarmplan. Damit kann die Stadt Oelde die Retentionsräume als Gesamtsystem optimal betreiben und den maximal möglichen Hochwasserschutz für das Stadtgebiet gewährleisten.
Das Abflussverhalten im Gesamtgebiet wurde mit dem Niederschlag-Abfluss-Modell NASIM analysiert und eine mit NASIM optimierte Bauwerkssteuerung für alle fünf betrachteten HRB entwickelt. Zusätzlich wurden modelltechnisch die Wirkungen der Hochwasserrückhaltebecken auf die Überflutungsgefährdung im Stadtgebiet untersucht.
Abbildung des hydrologischen Systems in NASIM
Auf Grundlage des vorhandenen Flussgebietsmodells aus dem Jahr 2008 wurde das hydrologische System des Axtbach-Oberlaufs in NASIM neu abgebildet. Die natürlichen Einzugsgebiete, Rückhaltebecken und weitere relevante Bauwerke wurden zur Abbildung des aktuellen Systemzustands überprüft und angepasst. Sie bieten insgesamt ein Rückhaltevolumen von ca. 218.000 m3. Die Kenndaten der Rückhaltebecken und ihrer Bauwerke wurden durch entsprechende Systemelemente abgebildet. Ergebnis ist ein aktuelles, konsistentes hydrologisches Gebietsmodell (HGM).
Modellbelastung aus Niederschlag (Messstationen, Radardaten und KOSTRA)
Zur Validierung des HGM wurden kontinuierliche Langzeitsimulationen mit Niederschlagsdaten von Messstationen und aus Radardaten durchgeführt. Da keine Pegelbeobachtungen für das Einzugsgebiet vorliegen, war eine direkte Kalibrierung des Modells anhand von Messwerten nicht möglich. Daher erfolgte die Modellvalidierung anhand von vorliegenden Daten aus den Hochwasserereignissen 2007 und 2015 sowie anhand der Ergebnisse aus dem vorliegenden Hochwasserschutzkonzept.
Die Messdaten decken einen Zeitraum von 16 bzw. 19 Jahren ab. Sie reichen damit für eine belastbare Extrapolation eines HQ100-Abflusses nicht aus. Das Bemessungsereignis HQ100 wurde deshalb mit einer Modellbelastung durch Modellregen nach KOSTRA-DWD 2010R ermittelt.
Als Intensitätsverlauf über das Ereignis wurde die DVWK-Verteilung gewählt. Diese beinhaltet einen Vorregen, eine Starkregenphase und einen Nachlauf und stellt hinsichtlich Scheitel und Fülle den ungünstigsten Verlauf eines Niederschlagsereignisses dar. Eine Niederschlagsdauer von zwei Stunden wurde als die maximale Belastung der Rückhaltebecken ermittelt.
Optimierung des HRB-Systems
Ziel der Optimierungsrechnungen war es, die Drosselabflüsse in Abhängigkeit vom Füllstand der HRB so zu optimieren, dass der Abfluss im Axtbach in der Ortslage Oelde für das HQ100 so stark wie möglich reduziert wird.
Erste Variantenrechnungen zeigten, dass dies mit den Drosseleinstellungen aus dem Hochwasserschutzkonzept 2008 bereits zum Teil gelingt, eine weitergehende Optimierung des Systems jedoch möglich ist. Die Auswertung der Simulationsergebnisse für die einzelnen HRB ergab: Das verfügbare Volumen einiger Becken wird nicht komplett ausgenutzt, während zwei Becken den Abfluss nicht vollständig zurückhalten können.
Im ersten Fall kann der Drosselabfluss noch weiter reduziert werden, um den möglichen Rückhalt die Becken zu erhöhen, d. h. optimal zu nutzen. Im zweiten Fall gilt das Ziel, einen Überlauf ggfs. zu vermeiden bzw. die Summe aus Überlauf und Drosselabfluss möglichst gering zu halten.
Mit diesen Vorgaben wurden die Drosseleinstellungen der HRB in Abhängigkeit vom Wasserstand über mehrere NASIM-Rechenläufe iterativ optimiert.
Erstellen eines Betriebs- und Hochwasseralarmplans nach DIN 19700
In enger Abstimmung mit den Mitarbeitern der Stadt Oelde wurden die bestehenden Betriebs- und Hochwasseralarmpläne nach DIN 19700 auf Basis der mit NASIM optimierte Bauwerkssteuerungen für die Einzelbecken aktualisiert und für den gemeinsamen Betrieb aller Becken angepasst und zusammengefasst.
Der Betriebsplan ersetzt den bestehenden Plan aus dem Jahr 2011 um die optimierten Betriebsregeln für die Drosselung der Becken abhängig vom Wasserstand. Zur Vereinfachung und Systematisierung des Betriebs wurden Checklisten erarbeitet, mit denen ein schneller und standardisierter Arbeitsablauf für eine optimale Steuerung sichergestellt werden soll.
Überflutungsnachweis für das Stadtgebiet mit Jabron
Für das Stadtgebiet liegen Überflutungsflächen in Form von Hochwassergefahrenkarten aus dem Jahr 2013 vor, die auf hydraulischen Berechnungen mit einem 1D-Modell basieren.
Im Rahmen dieses Projekts waren die Auswirkungen der Optimierung der Hochwasserrückhaltebecken auf die Überflutungssituation im Stadtgebiet zu untersuchen. Dazu wurden vorhandene Querprofildaten der Gewässer und der Rückhalteräume in die 1D-Hydraulik-Software Jabron übernommen.
Bei hohen Abflüssen reichten die vorliegenden Profildaten nicht aus, um den gesamten Fließquerschnitt abzubilden. Abschnittsweise wurden in diesem Fall die Profile auf Basis der Geländehöhen des DGM1 mit der GIS-Erweiterung JabMap in die Vorländer verlängert. So konnten die tatsächliche Gewässerbreite und die resultierenden Wasserstände exakter erfasst werden.
Mit dem aktualisierten 1D-Modell Jabron wurden Wasserspiegellagen für das HQ100 und das HQ1.000 (HQextrem) berechnet. Die daraus resultierenden Überschwemmungsflächen wurden mit JabMap in ArcGIS berechnet. Der Vergleich mit den in den Hochwassergefahrenkarten veröffentlichten Überschwemmungsflächen bestätigt, dass die von Überflutungen gefährdeten Flächen durch die Rückhalteleistung der Becken deutlich kleiner werden.
In 2019 wurden die Arbeiten im Auftrag der Bezirksregierung Münster im Rahmen der Aktualisierung der Hochwassergefahrenkarten (HWRM-RL, 2. Zyklus) mit einem 2D-Modell (HYDRO_AS-2D) überprüft und die mit Jabron berechneten Flächen bestätigt.
Dipl.-Ing. Heike Schröder, Dipl.-Ing. Martin Dornseifer