40 Jahre Hydrotec – Meilensteine
25.04.2021N-A-Modell Großes Meer mit NASIM-HDR
27.05.2021Von großräumigen Gewässermodellen bis zu den Details einer Bauwerksplanung
Die Gewässerbewirtschaftung erfordert es, ständig neue technische Lösungen zu suchen und zu erproben, um aktuelle Aufgabenstellungen anzugehen und die bestehende Technik zu verbessern. Wir stellen Ihnen hier einige Pionierprojekte vor, die über die standardmäßige hydronumerische Modellierung in der Ingenieurpraxis weit hinausgehen und das Spektrum der hydronumerischen Modellierung darstellen.
- Hydronumerische Abbildung von Binnenweser und der Main – wahrscheinlich die größten 2D-Modelle von Fließgewässern im deutschsprachigen Raum
- 2D-Modellstudie für Rückhalteräume am Rhein für mehrere zig Millionen m³ Wasser
- 3D-Simulation von Strömungen an geplanten Fischaufstiegs- und -abstiegsanlagen
- Entwicklung von verbesserten Ansätzen für Rauheitswerte zur 2D-Simulation von Starkregenabflüssen
Unser Team meistert diese Herausforderungen mit Expertise und bringt die hydronumerische Modellierung in der Wasserwirtschaft mit innovativen Ansätzen und Techniken in der Entwicklung sowie in der Anwendung voran.
Ansprechperson: Prof. Alpaslan Yörük
Digitale Zwillinge von Bundeswasserstraßen
Seit 2009 hat Hydrotec im Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) mehrere großräumige hydronumerische 1D-Modelle von Bundeswasserstraßen erstellt. Eine Herausforderung lag dabei in der Größe der Modelle mit bis zu mehr als 400 Fließkilometer und im Management der großen Datenmengen. Weiterhin hatten wir hohe Anforderungen an die Modellgenauigkeit zu erfüllen, da die Grundlagendaten zur Kalibrierung von sehr guter Qualität sind.
Die Modelle werden künftig zur Beschreibung des gewässerkundlichen Ist-Zustands eingesetzt. Die stationär betriebenen Modelle dienen dazu, die Wasserspiegellagen bei Niedrig-, Mittel und Hochwasser sehr genau anzugeben. Zusätzlich wurden einige dieser 1D-Modelle für den Einsatz in Vorhersagesystemen (Delft-FEWS) erstellt bzw. erweitert Hier lag der Fokus auf kurzen Rechenzeiten und einer sehr guten Abbildung der Wellenlaufzeiten.
2018 konnten wir mit dem 2D-Modell der Weser zeigen, dass auch große Bundeswasserstraßen mit dem 2D-Ansatz abgebildet werden können. Das Modell der Binnenweser simuliert rekordverdächtige 400 Fließkilometer. Qualitativ übertrafen die Ergebnisse der 2D-Modellung die der bisherigen 1D-Modelle. Deshalb sollte in Zukunft die Ermittlung desgewässerkundlichen Ist-Zustands aller Bundeswasserstraßen auf 2D-Modellen beruhen. Der Einsatz von 1D-Modellen wäre nur noch für die Vorhersage sinnvoll.
Mit diesen Datensätzen sind digitale Zwillinge der Bundeswasserstraßen entstanden und das Spektrum der hydronumerischen Modellierung wurde erweitert. Die BfG verwendet diese Modell- und Datenbanktechnik u. a. für statistische Auswertungen, um die Sicherheit der Schifffahrt zu verbessern und um den Auswirkungen des Klimawandels besser begegnen zu können.
Modellstudien mit HYDRO_AS-2D für überregionalen Hochwasserschutz
Das Integrierte Rheinprogramm (IRP) des Landes Baden-Württemberg hat zum Ziel, zusammen mit Maßnahmen von Rheinland-Pfalz und Frankreich das Schutzniveau der Unterlieger wieder so herzustellen, wie es vor dem Ausbau des Oberrheins im vergangenen Jahrhundert bestand. Dazu sollen 13 Hochwasserrückhalteräume mit einem gesamten Rückhaltevolumen von 167,3 Mio. m³ geschaffen werden. Dabei sind Umweltschutzaspekte zu berücksichtigen und die bestehende Auenlandschaft weitestgehend zu erhalten bzw. zu renaturieren.
Hydrotec wurde in diesem Kontext mit Modellstudien der geplanten Hochwasserrückhalteräume Elisabethenwört (400 bis 600 ha, Baden-Württemberg) und Hördt (870 ha, Rheinland-Pfalz) beauftragt. Das Projekt beinhaltete instationäre und stationäre Berechnungen für verschiedene Abflüsse mit HYDRO_AS-2D. Die Ergebnisse dienten als Grundlage für die weiteren Planungsschritte und ermöglichten den Vergleich verschiedener Ausbau- und Betriebsvarianten. Die Planungspartner und der Auftraggeber waren dadurch in der Lage, die bestmögliche Ausgestaltung der Rückhalteräume zu finden.
Die Öffentlichkeit wurde bei den Vorhaben von Beginn an und projektbegleitend beteiligt über öffentliche Informationsveranstaltungen, einen Projektbegleitkreis und fachbezogene Arbeitsgruppen. Auch dabei unterstützte Hydrotec die auftraggebenden Behörden.
3D-hydronumerische Modellierung für die optimierte Bauwerksplanung
Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) benennt in ihren Programmen „Lachs 2000“ und „Lachs 2020“ den Umbau von sechs großen Staustufen im Main als wichtige Maßnahme zur ökologischen Verbesserung. Hydrotec untersuchte auf Grundlage eines 3D-Modells einer Fischaufstiegsanlage die Strömungsverhältnisse an einer der umzubauenden Anlagen, um die Durchgängigkeit nachzuweisen und das Bauwerk mit der Berechnung von Geometrievarianten zu optimieren.
Die Platzverhältnisse am Standort sind aufgrund dichter Bebauung durch Wasserkraft- und Verkehrsanlagen sehr beengt, sodass sie nur eine kompakte, technische Bauform mit Beckenstruktur erlauben. Anhand der berechneten Geschwindigkeitskomponenten lassen sich Rückströmbereiche identifizieren, die einen wesentlichen Einfluss auf die aufwärtsgerichtete Wanderbewegung der Fische haben. Mit einer Farbskala wird die Strömung mit Bezug auf die Rheotaxis (aktiv, passiv) und die Schwimmgeschwindigkeiten von Fischen (Sprintgeschwindigkeit sowie die gesteigerte und die Dauerschwimmgeschwindigkeit) klassifiziert.
Mit dem 3D-Modell wurde die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Planungsentwurfs im Sinne der Passierbarkeit nachgewiesen. Anhand von Variantenuntersuchungen konnte der Planungsentwurf funktional verbessert und bautechnisch vereinfacht werden. In einem weiteren Projektschritt erfolgten weitergehende Untersuchungen zum Nachweis der kleinräumigen und großräumigen Auffindbarkeit der Gesamtanlage innerhalb des Unterwassermodells.
Forschung zur Starkregenmodellierung
Forschungsergebnisse erweitern das Spektrum der hydronumerischen Modellierung ständig. Für die Modellierung von Hochwasserereignissen, die durch Starkregen verursacht werden, haben sich hydronumerische 2D-Modelle in der Praxis bewährt. Beim Vergleich der gewässerhydraulischen Modellierung mit der Starkregensimulation sind jedoch zwei Aspekte zu prüfen:
- Können die aus der Gewässerhydraulik bekannten Rauheitswerte für die Simulation von oberflächlich abfließendem Niederschlagswasser übernommen werden?
- Bei der Starkregenmodellierung kann das Gefälle im Einzugsgebiet deutlich höher liegen als bei der Modellierung von Fließgewässern. Führt das zu Ungenauigkeiten in der 2D-Modellierung?
Diese beiden Fragestellungen wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes an der htw saar anhand von physikalischen Versuchen untersucht. Dabei zeigte sich, dass für die Modellierung von Starkregenereignissen besser Rauheitsbeiwerte anzusetzen sind, die von der Wassertiefe abhängig sind. Dieses Ergebnis wurde bei der Entwicklung von HYDRO_AS-2D berücksichtigt. Modellierende können bei der Starkregensimulation entsprechend wassertiefenabhängige Rauheitsbeiwerte auswählen.
Prof. Dr.-Ing. Alpaslan Yörük, Dipl.-Ing. Andreas Förster, Volker Missler M. Sc., Dipl.-Ing. Leandro Mücke, Dr.-Ing. Ellen-Rose Trübger
Professor Dr.-Ing. Alpaslan Yörük
Der promovierte Bauingenieur nahm 2008 seine Tätigkeit bei Hydrotec auf und brachte sein Spezialwissen zur hydronumerischen Modellierung und zum Stofftransport in das Team ein. 2015 wurde er als Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft an die htw saar berufen, um sein Wissen an Studierende weiterzugeben und die Forschung anzutreiben. Bei Hydrotec ist er seitdem beratend tätig.
Seit 2015 ist er Gesellschafter bei Hydrotec, erhielt 2016 Prokura und wurde 2021 in die Geschäftsführung bei Hydrotec bestellt. Der Experte für 1D-, 2D- und 3D-hydronumerische Simulation leitet zusammen mit Lisa Friedeheim die Arbeitsgruppe Hydraulik bei Hydrotec. Mit seinem vertieften Spezialwissen unterstützt er zudem die Entwicklung der Hydraulik-Softwarepakete.
Er berät und begleitet bei der Erstellung und Anwendung von großen hydraulischen Modellen insbesondere an Bundeswasserstraßen zu den Themen Hochwasserschutz, Durchgängigkeit und Feststofftransport.