Die europäischen Alpen besitzen ein hohes Potenzial zur Energiegewinnung durch Wasserkraft. Entsprechend hoch liegt in Österreich und der Schweiz der Anteil an dieser regenerativen Energieerzeugung.
Speicherkraftwerke gleichen die jahreszeitlichen Abflussschwankungen aus und sind in Kombination mit Pumpspeicherbecken in der Lage, Bedarfsspitzen abzudecken. Sie tragen dazu bei, die vorhandenen Wassermengen bestmöglich zu bewirtschaften und ermöglichen es, rechtzeitig auf Hochwasser- bzw. Starkregenereignisse zu reagieren.
Hydrotec hat ein hydrologisches Vorhersagesystem für ein alpines Einzugsgebiet von ca. 140 km2 auf Basis von Delft-FEWS erstellt. Es bildet eine komplexe Topologie mit mehreren Wasserkraftanlagen und miteinander verbundenen Speicherseen ab. Das Vorhersagesystem verfolgt in erster Linie das Ziel, dem Betreiber erstmals konkrete Zuflussprognosen zu seinen Speicherseen zu liefern, wodurch die Bewirtschaftung der Speicher unterstützt wird. Auf Basis von gemessenen Speicherfüllständen, den Energieerzeugungs-Fahrplänen und den Vorhersagedaten wird zudem eine prognostizierte Bilanzierung der Füllstände berechnet.
Das Vorhersagesystem verwendet ein N-A-Modell, das von der Universität für Bodenkunde Wien mit dem Programm COSERO erstellt wurde. Im Rahmen des Projekts wurde es vom Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und Konstruktiver Wasserbau räumlich verfeinert und aktualisiert. Zur Integration des COSERO-Modells hat Hydrotec die Modellanbindung in Delft-FEWS weiterentwickelt, um den Import von Modellausgaben in Rasterform, z. B. zur rasterbasierten Ausgabe von Schnee-Wasser-Äquivalenten zu ermöglichen.
Die meteorologischen Eingangsdaten, Niederschlag und Temperatur für das N-A-Modell stammen aus dem Analyse- und Nowcastingsystem der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien). Für die historischen Wetterdaten wird das INCA-Analyseprodukt verwendet. Die Niederschlagsprognose wird in Delft-FEWS aus der deterministischen Kurz- und Langfristvorhersage zu einer Prognose für das N-A-Modell zusammengesetzt.
Delft-FEWS führt damit Simulationsläufe zur Vorhersage und mit aktuellen Messdaten durch. Sämtliche Eingangs- und Ausgangsdaten werden in der Oberfläche des Prognosesystems visualisiert.
Mit dem integrierten Entscheidungsunterstützungsmodul für die Kraftwerksgruppe können die Anwender Prozesse simulieren, visualisieren und in der Prognose sowohl regelbasiert als auch interaktiv steuern.
Dazu wurde die Kraftwerksgruppe mit der Software RTC-Tools (oss.deltares.nl/web/rtc-tools) als Ersatzsystem abgebildet – inklusive aller Einlassbauwerke, Überleitungsstrecken, Speicher, Kraftwerkseinheiten und
Auslassbauwerke. Auf Basis der energiewirtschaftlichen Planung werden Zu- und Abflüsse der Speicher zu einem Speicherfüllstand bilanziert. So lassen sich vor allem für die unterjährig bewirtschafteten Speicher frühzeitig Trends erkennen. Die berechneten Füllstände werden gegen definierte Grenzwerte geprüft, sodass jederzeit ein guter Überblick über die Situation in den Speicherseen vorhanden ist.
Alle Messdaten und Ergebnisse aus den Modellberechnungen werden als Zeitreihen grafisch dargestellt. Der voll automatisierte Systembetrieb liefert zudem Zeitreihen und Grafiken für die zentrale Leitstelle des Betreibers.
Dipl.-Ing. Michael Bornebusch, Dr.-Ing. Oliver Buchholz